Barrierefreiheit im Internet ist längst kein freiwilliges Extra mehr – sie ist gesetzliche Pflicht. Während öffentliche Stellen bereits seit 2021 barrierefreie Websites betreiben müssen, trifft es ab 2025 auch viele private Unternehmen. Wer nicht rechtzeitig umstellt, riskiert Abmahnungen, Klagen und hohe Bußgelder. In diesem Beitrag erfährst du, wer betroffen ist, was Barrierefreiheit konkret bedeutet und wie du deine Website anpassen kannst.
Gesetzliche Grundlage & Geltungsbereich
Die gesetzliche Grundlage besteht aus zwei wesentlichen Regelungen:
- EU-Richtlinie 2016/2102 – Diese verpflichtet seit dem 23. Juni 2021 alle öffentlichen Stellen dazu, ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei zu gestalten. → eur-lex.europa.eu PDF-Dokument
- Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) – Diese Regelung setzt die EU-Richtlinie 2019/882 in Deutschland um und macht Barrierefreiheit ab dem 28. Juni 2025 für viele private Unternehmen verpflichtend. → barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de
Wer muss Barrierefreiheit umsetzen?
Pflicht für öffentliche Stellen:
- Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden
- Hochschulen und Bildungseinrichtungen
- Öffentliche Verkehrsbetriebe
- Krankenhäuser und Gesundheitsdienste
Pflicht für private Unternehmen ab 2025:
Betroffen sind Unternehmen, die digitale Dienstleistungen oder Produkte anbieten, insbesondere:
- Online-Handel (E-Commerce)
- Banken & Versicherungen (z. B. Online-Banking, Kundenportale)
- Telekommunikationsanbieter
- Software-Anbieter & Apps
- E-Books & elektronische Medienanbieter
Für private Unternehmen ohne digitale Dienstleistungen gibt es (noch) keine allgemeine Pflicht – dennoch besteht das Risiko von Abmahnungen oder branchenspezifischen Regelungen.
Was bedeutet Barrierefreiheit für Websites konkret?
Websites müssen die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) auf Stufe AA erfüllen. Das bedeutet:
1. Wahrnehmbarkeit
- Alternativtexte für Bilder & Grafiken
- Untertitel & Audiodeskriptionen für Videos
- Klare Farbkontraste (mind. 4,5:1 für Text)
- Skalierbare Schrift ohne Funktionsverlust
- Keine ausschließliche Nutzung von Farben zur Informationsvermittlung
2. Bedienbarkeit
- Volle Nutzung per Tastatur (keine Maus erforderlich)
- Keine Zeitlimits oder automatische Logouts
- Keine flackernden Inhalte (max. 3 Blitze/Sekunde)
- Klare Navigation & Fokus-Hervorhebung für interaktive Elemente
3. Verständlichkeit
- Einfache, klare Sprache ohne unnötige Fachbegriffe
- Einheitliche, vorhersehbare Navigation & Interaktion
- Unterstützung bei Formularen (Auto-Vervollständigung, Fehlerhinweise)
4. Robustheit
- Sauberer HTML-Code, der mit Screenreadern funktioniert
- Nutzung von ARIA-Attributen für interaktive Elemente
- Kompatibilität mit assistiven Technologien
Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Abmahnungen & Klagen
- Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbände nach dem UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb)
- Abmahnkosten zwischen 1.000 und 5.000 Euro pro Verstoß
- Unterlassungserklärungen mit Vertragsstrafen bei Wiederholung
- Klagen & Schadensersatzforderungen durch Betroffene oder Behindertenverbände
Bußgelder ab 2025
- Für private Unternehmen, die die Vorgaben nicht umsetzen
- Höhe noch unklar, aber möglicher Maßstab: DSGVO-Strafen
Fristen & Übergangsregelungen
- Seit 23. Juni 2021: Öffentliche Stellen müssen ihre Websites barrierefrei machen.
- Bis 28. Juni 2025: Private Unternehmen in relevanten Branchen müssen ihre Websites anpassen.
- Bestehende Inhalte: Öffentliche Stellen mussten sie bis Juni 2021 nachbessern, private Unternehmen haben noch bis 28. Juni 2025 Zeit.
Wer überprüft die Einhaltung?
- Öffentliche Stellen: Kontrolle durch Landes- und Bundesbehörden
- Private Unternehmen: Ab 2025 durch Marktüberwachungsbehörden
- Zusätzlich: Verbraucher & Behindertenverbände können Verstöße melden und rechtliche Schritte einleiten
Empfehlung zur Umsetzung
1. Schnelltest mit automatisierten Tools
Nutze Tools wie WAVE, axe oder Google Lighthouse, um erste Schwachstellen aufzudecken.
2. Manuelle Prüfung
Eine vollständige Prüfung durch Experten oder Testpersonen mit Einschränkungen ist unerlässlich. Hier kann ich dir gerne helfen!
3. Schrittweise Anpassung bestehender Inhalte
Beginne mit Alt-Texten für Bilder, Farbkontrasten, Navigation & Tastatursteuerung.
4. Zertifizierte Prüfung für volle Rechtssicherheit
Unternehmen sollten sich spätestens bis Ende März 2025 um eine vollständige Prüfung kümmern, um Abmahnrisiken zu vermeiden.
Jetzt handeln, statt später zahlen
Während öffentliche Stellen bereits seit 2021 zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, müssen private Unternehmen aus relevanten Branchen bis 2025 nachziehen. Wer die Anforderungen ignoriert, riskiert nicht nur Bußgelder und Klagen, sondern auch einen Wettbewerbsnachteil. Barrierefreie Websites sind nicht nur gesetzliche Pflicht, sondern bieten auch bessere Nutzerfreundlichkeit, höhere Reichweite und SEO-Vorteile.